Veranstaltungen: Kritik ”Turandot”

erstellt: 27. Juni 2005

Opernspektakel im XXL-Format

Puccinis “Turandot” im Olympiastadion auf 170 Meter Breite

München – Die schiere Größe ist zu aller erst beeindruckend: 660 Tonnen bringt die Bühnenkonstruktion auf die Waage, 86 LKW transportieren die gesamte Oper nach München, 1.000 Scheinwerfer mit zusammen 800.000 Watt illuminieren rund 10.000 Quadratmeter Bühne und einiges an weiteren Flächen. Nicht zu vergessen eine Soundanlage, mit stolzen 100.000 Watt und 50 „hochprofessionellen“ Funkmikrofonen – diese Formulierung lässt schon erahnen, dass laut Veranstalter anscheinend alle anderen Opernproduktionen weniger versiert zu Werke gehen, denn die können bestenfalls noch „professionelle“ Tonüberträger im Einsatz haben.

Zwei Seiten der Medaille
Lässt man die Wucht der Fakten einmal beiseite und blickt auf das Wesentliche, auf die Darbietung selbst, so fällt das Urteil zwiespältig aus. Zu begrüßen sicherlich, dass mit dieser Veranstaltung ein Publikum erreicht wurde, das nicht zu den regelmäßigen Besuchern von Opern zählen dürfte. Rund 27.000 Menschen im Münchner Olympiastadion können nicht alle eingefleischte Fans sein und so erleben viele den Prinzen Calaf und die Prinzessin Turandot erstmals live auf der Bühne.
Multimedial aufbereitet mit zwei Großbildschirmen und deutschen Untertiteln sowie einer kinotauglichen Inszenierung des Filmregisseurs Zhang Yimou reduziert sich das Schauspiel um „Liebe auf den ersten Blick“ zu einer sehr weit entfernten, ameisenhaften Darbietung. Die Geschichte, die u.a. von einer heimlichen Sehnsucht der Dienerin Liu (vorzüglich gesungen von Yao Hong), von zahlreichen heiratswilligen, jedoch geköpften Adelsjünglingen und der Unvernunft der Jugend erzählt, erreicht die Zuschauer auf den weit entfernten Tribünenplätzen nicht mehr.
 

Klangschale
Wohl bekannt aus vielen Jahren Bundesliga sind die Gesänge der Schlachtenbummler. Ob dabei das Stadion ein Echo produzierte oder ob die Lautstärke über die Schmerzgrenze schwoll, war uns letztlich egal. Anders sieht es bei einer klassischen – und im besten Fall sehr fein akzentuierten – Opernaufführung aus. Die Wucht des Orchesters hätte wahrlich besser zu Wagner, denn zu Puccini gepasst, was sicherlich nicht an den Musikern, sondern an den Tontechnikern des Events lag. Für die insgesamt schlechte Akustik der Spielstätte können jedoch auch diese nichts. Vielleicht wäre es einfach besser, das Olympiastation nicht zur Allzweckwaffe im Münchner Veranstaltungskalender zu machen, sondern sich darauf zu besinnen, was in das Oval von 1972 passt – und was eben nicht.

Das Mammutspektakel „Turandot“ reist – nach den Stationen Paris und München – noch in die Arena auf Schalke (09. Juli) und für den 28. August 2006 ist eine Wiederholung in München vorgesehen.

Jim Gannon