Kunst: Bericht “Philatelie-Auktion”

erstellt: 07. Juni 2005

Audrey Hepburn bleibt bei uns

Die seltenste Briefmarke der modernen Philatelie geht bei einer Auktion an einen
deutschen Privatsammler

Grünwald - Am Mittag des 1. Juni 2005 war es soweit: Christian E. Geigle, Briefmarkenhändler aus dem noblen Vorort Münchens, bekommt bei einer internationalen Auktion in Wiesbaden den Zuschlag für die Briefmarke mit dem Portrait von Audrey Hepburn. Zum Gesamtpreis von 69.437,60 Euro erwirbt er die wenigen Quadratzentimeter Papier für einen Privatsammler, der anonym bleiben möchte.

Preis-Weltrekord
Bei 58.000,- Euro fiel in Deutschlands ältestem und renommiertesten Briefmarken-Auktionshaus, Heinrich Köhler in Wiesbaden, der Hammer für die Hepburn-Marke. Mit dem Aufgeld des Auktionators und der gesetzlichen Mehrwertsteuer summiert sich der Betrag auf knappe 70.000,- Euro. Damit schreibt diese Briefmarke Geschichte: Sie hält den Preis-Weltrekord für eine Marke der modernen Philatelie (nicht älter als 10 Jahre) und gleichzeitig wurde noch nie ein höherer Preis für ein Postwertzeichen aus dem Nachkriegsdeutschland (ab 1945) bezahlt.
Mit im Rennen um den Zuschlag war neben dem bayerischen Auktionsteilnehmer nur eine Hand voll weiterer Bieter – nahezu ausnahmslos im Auftrag vermögender Privatsammler – wobei sich ein Kollege aus den USA als besonders hartnäckig erwies. Erst beim Schritt von 56.000,- auf 58.000,- Euro ließ Christian E. Geigle den Kollegen auf der Strecke zurück. Mit dem Erwerb durch den in Kennerkreisen hoch angesehenen Händler im Namen seines Kunden, war gleichzeitig sichergestellt, dass die Marke mit Audrey Hepburn in Deutschland verbleibt; auch wenn sie der Öffentlichkeit in absehbarer Zeit nicht zugänglich sein dürfte. Ganz anders übrigens das zweite Exemplar, das vom 02. bis 05. Juni auf der NAPOSTA in Hannover zu sehen war. Kein Wunder, dass sich dort über 20.000 Briefmarkenfreunde das wertvolle Exponat nicht entgehen ließen.

Nur zwei bekannte Exemplare
Die Briefmarke mit dem lachenden Gesicht der beliebten Schauspielerin (u.a. „Frühstück bei Tiffany“ 1960 und „Sabrina“ 1954) sollte ursprünglich Teil eines Blocks Wohlfahrtsmarken mit Motiven internationaler Filmgrößen sein. Zusammen mit Greta Garbo, Jean Gabin, Marilyn Monroe und Charlie Chaplin befand sich die Ikone einer ganzen Frauengeneration in prominenter Gesellschaft.
Auf Drängen des Hepburn-Sohnes musste die gesamte Auflage der 2001 gedruckten Marke – wohl wegen der Zigarette im Mund seiner Mutter – vernichtet werden. Unter ungeklärten Umständen schafften es jedoch einige Marken aus dieser Serie auf den Postweg. Wie viele genau ist allerdings unklar, bekannt bzw. aufgetaucht sind bis heute lediglich zwei Stück.
Um die Wohlfahrtsmarken dennoch auf den Markt zu bringen, wurde in aller Eile ein Ersatzmotiv entwickelt, das eine Filmrolle zeigt und eigentlich nicht in die Serie passt. Wer also Marken mit einem der anderen Filmstars sein Eigen nennt, kann sich keineswegs über unverhofften Reichtum, sondern bestenfalls über dekorative Briefmarkenmotive freuen.

Florian Gast

 

Interview:
Christian E. Geigle, der Ersteigerer der Audrey Hepburn-Briefmarke, im Gespräch

GASTjournalist:
Allen Ernstes, Herr Geigle, wer leistet sich eine Briefmarke für 70.000,- Euro?

C. Geigle:
Ein Privatmann, der über den notwendigen, finanziellen Background verfügt und sein Geld lieber in Briefmarken als z.B. in Ferraris oder Yachten investiert.

GASTjournalist:
Die beiden Hepburn-Marken sind ja per Zufall in den Umlauf gekommen und dürften gar nicht existieren. Gibt es noch ähnliche Beispiele?

C. Geigle:
Nicht ganz so selten, aber ebenfalls sehr bekannt sind die sogenannten „Gscheidle“-Marken – benannt nach dem ehemaligen Postminister Kurt Gscheidle. Diese hätten ebenfalls nie auf Briefe gelangen dürfen, aber seine Frau und sein Sohn haben die Zuhause herumliegenden Briefmarken kurzerhand für private Post verwendet und verschickt. So sind etwa zwei Dutzend davon letztlich bei Sammlern gelandet.

GASTjournalist:
Sie gehören zu den renommiertesten Briefmarkenhändlern in Deutschland. Sind Sie bei einer solchen Auktion trotzdem noch nervös.

C. Geigle:
Und wie! Ich wusste ja, wo das Limit meines Kunden lag und ich hatte schon befürchtet, dass der Kollege aus den USA einen größeren Spielraum hätte. Umso glücklicher bin ich, dass ich den Zuschlag bekommen habe und die Briefmarke damit in Deutschland bleibt.

GASTjournalist:
In den 50er und 60er Jahren wurde oftmals im Fernsehen über Briefmarkenversteigerungen berichtet. Warum hört man heute praktisch nichts mehr davon?

C. Geigle:
Nun, dem Thema Briefmarkensammeln haftet – meiner Ansicht nach zu Unrecht ein etwas verstaubtes Image an. Sowohl der Preis als auch das Bild der Hepburn-Marke sind jedoch besonders medientauglich. Mit einem Motiv wie z.B. „50 Jahre Pariser Verträge“ wäre das Echo zweifelsfrei deutlich geringer ausgefallen.

GASTjournalist:
Haben Sie noch einen Tipp für Sammel-Neueinsteiger?

C. Geigle:
Klar, sammeln Sie erst einmal, alles, was Sie kriegen können. Und mit etwas Glück fällt Ihnen ein ganz seltenes Stück in die Hände!