Sport: Veranstaltungs-Nachbericht

erstellt: 01. Juni 2005

Fußball und Semmeln ohne Biss

Bei der Eröffnungs-Party des FC Bayern ist das Spiel mit dem Ball nur Nebensache

München  – Nachdem die 1860er am Tag zuvor bereits ihren Einstand im neuen Stadion feierten, legte am Dienstag der FC Bayern mit dem Spiel gegen die deutsche Nationalmannschaft nach.

Rahmenprogramm mit Musik und Show
Gut eine Stunde vor Spielanpfiff trat Thomas Gottschalk auf den neuen Rasen der Arena, um die 66.000 Besucher des restlos ausverkauften Stadions auf den Showteil des Abends einzustimmen. Der Sänger Seal – derzeit mehr als der neue Ehemann von Heidi Klum in den Medien denn als Musiker – gab einige seiner bekanntesten Songs zum Besten. Zwischendurch wurde die „FC Bayern-Elf des Jahrhunderts“ (gewählt von über 200.000 Fans) geehrt, wobei Mehmet Scholl und Steffan Effenberg in dieser Riege mehr überraschen als Beckenbauer & Co.. Anschließend füllten legendäre Hits der Gruppe Queen, allen voran „We are the Champions“ das Oval, optisch untermalt vom Ensemble des Musicals „We will Rock You!“ aus Köln. Alles in allem eine bunte Mischung aus Musik, Show und offiziellen Programmpunkten, in der Summe durchaus unterhaltsam und kurzweilig.

Organisatorisch 2. Liga
Wer bereits vor dem Fußballspiel (ab 21.15 Uhr) Hunger verspürte und einen der zahlreichen Versorgungsstationen aufsuchte, wurde von Schlangen Gleichgesinnter erwartet. Man möchte meinen, dass ein neues Stadion der Superlative auch organisatorisch in ein neues Zeitalter vorstößt. Von den massiven Problemen beim Verlassen des Parkhauses konnte man genüsslich vom Spiel am Vortag lesen, sollen doch Besucher nicht selten zwei Stunden vom Besteigen des Fahrzeugs bis hinter die Schranke benötigt haben! Was jedoch in punkto Essen und Trinken jahrelang im Olympiastadion erstklassig funktioniert hatte, konnte anscheinend nicht nach Fröttmaning hinüber gerettet werden: ein funktionierendes System beim Anstellen an den Kiosken. Keine separaten Zonen für diejenigen, die noch anstehen und für die Glücklichen, die endlich Bier und Bratwurst (in roter und weißer Variante erhältlich, geschmacklich ordentlich, die umhüllende Semmel belanglos und lapprig) ergattert haben. So muss man sich vom Counter durch die dicht gedrängten Leiber der hungrigen Meute zwängen, die sich völlig unorganisiert in Richtung Theke schiebt. Dass anscheinend das Bier in den Plastikbechern zu sehr schäumt und damit nicht schnell genug ausgeschenkt werden kann, fällt da schon kaum mehr ins Gewicht. Hier werden die Verantwortlichen noch einiges nachzubessern haben, bis auch die eingefleischten Fußballfans – an diesem Abend sicherlich in der Unterzahl – das Gastro-Angebot in der Allianz-Arena vollends akzeptieren werden.

Sportlich zurückhaltend
Richtig, Fußball wurde an diesem Abend auch noch gespielt. Sicherlich, Freundschaftsspiele sind nicht dafür gedacht, Zweikämpfe bis zum Letzten auszutragen und Laufbereitschaft auch über die Schmerzgrenze hinaus zu fordern, doch vom erwarteten „Fußballfest“ war man weit entfernt. Während der FC Bayern sich in der ersten Halbzeit durchaus launig und mit Spielwitz präsentierte, konnte die Rumpfmannschaft von Jürgen Klinsmann wenig überzeugen. Lediglich die Erkenntnis, dass eine Nationalmannschaft ohne die Leistungsträger des Rekordmeisters praktisch führungslos spielt, dürfte der Teamchef von diesem Abend mit nach Hause genommen haben.
Das bei Beobachtern durchaus als pikant eingestufte Gegenüberstehen der beiden Nationaltorhüter Oliver Kahn (die Nummer eins im Kader) und dem ewigen zweiten, Jens Lehman, geriet zum Spießrutenlauf für den Keeper des FC Arsenal. Begleitet von einem gellenden Pfeifkonzert wurde nicht nur die namentliche Vorstellung durch den Stadionsprecher, sondern jeder Ballkontakt von Lehman. Dadurch anscheinend doch verunsichert, konnte dieser sein Leistungspotenzial nicht abrufen und war sowohl für das 1:0 durch Sebastian Deisler als auch beim 2:0 für den FC Bayern (Eigentor von Huth) maßgeblich verantwortlich. Die Auswechslung von Lehmann in der Halbzeitpause dürfte für ihn eine Erlösung gewesen sein.
In den zweiten 45 Minuten schickten beide Trainer jeweils eine Riege von Auswechselspielern auf den Rasen, die bei einem solchen Spiel auch zum Einsatz kommen wollen – und sollen. Schade nur, dass das Spiel weiter an Unterhaltungswert verlor, was auch die Besucher des Stadions mit wenig Enthusiasmus quittierten. Auf der Seite der VIP-Logen herrschte nach der Halbzeitpause gähnende Leere. Hier fand man zur Recht die exquisiten Büffets und die prominenten Gesprächspartner interessanter als das Geschehen auf dem Platz.

All diejenigen, die es nicht geschafft hatten für das „historische“ Eröffnungsspiel des FC Bayern eine Karte zu ergattern – oder die nicht bereit waren auf Ebay zum Teil weit über 200,- Euro pro Ticket zu bezahlen – sei zur Beruhigung gesagt, dass der Platz auf dem heimischen Sofa mit direkter Anbindung zur Küche diesmal keine schlechte Wahl war.

Florian Gast

Eröffnungsparty

Jens Lehmann

© GASTjournalist

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Homepage der Allianz Arena